Zum Umzug

Ana Hupe, If You Throw A Mediterranean Stone (2024)

Aus Sicht Brasiliens: Poesie und politische Resonanzen in Berlin

Welche Stadt übersetzt eine Karte? Was passiert mit der Sprache, wenn man umzieht? Ist ein Notizbuch auf der anderen Seite des Ozeans noch dasselbe? Die brasilianischen Schriftstellerinnen und Künstlerinnen Ana Hupe, Angélica Freitas, Stephanie Fernandes und Valeska Brinkmann springen von der Bahn aufs Trampolin, verzichten auf die obligatorische Brille, um Fremde, Vögel und Insekten zu beobachten, und verwischen in einer Reihe von visuellen Gedichten die Grenzen zwischen Wort und Bild, indem sie ihr eigenes Vokabular erfinden, um Berlin, das Wohnen, die Fremdheit und andere Unruhen zu verstehen.

Valeska Brinkmann, Poem (2024)

Vor zwei Jahren kam eine Gruppe von vier Künstlerinnen, Poetinnen und Schriftstellerinnen aus verschiedenen Teilen Brasiliens in Berlin zu Schreibsitzungen zusammen. Diese wurden von der preisgekrönten Lyrikerin Angélica Freitas organisiert, die im Rahmen eines DAAD 2020-Aufenthaltes in die Stadt kam. Die Treffen fanden nicht nur in Angélica Freitas' Haus in Kreuzberg statt, sondern auch an anderen Orten wie Parks, Straßen und Cafés. Hier entstand eine besondere und fruchtbare Form der kreativen Zusammenarbeit statt, die sich zu einer gemeinschaftlichen visuellen Poesie formierte. In der Ausstellung Zum Umzug wird eine Auswahl ihrer politischen Gedichte und Kunstwerke gezeigt.

Die Arbeiten nähern sich den Themen Migration und Landschaft aus einer vielschichtigen Perspektive - sowohl in Bezug auf die gesprochene Sprache als auch auf die Medien: Valeska Brinkmann arbeitet für Radio und Fernsehen, lebt seit über zwanzig Jahren in Berlin und hat zuletzt zwei Gedichtbände veröffentlicht; Stephanie Fernandes ist Literaturübersetzerin, lebt erst seit drei Jahren in Berlin und hat zuletzt Virginia Woolfs Mrs. Dalloway ins Brasilianisch-Portugiesische übersetzt; Angélica Freitas lebt seit einem einjährigen DAAD-Literatur-Stipendium 2020 in Berlin und ist preisgekrönte Autorin von Lyrik, die Dalloway ins brasilianische Portugiesisch übersetzt hat; Angélica Freitas lebt seit ihrem einjährigen DAAD-Literatur-Stipendium 2020 in Berlin und ist eine vielfach ausgezeichnete Autorin von Gedichten, Comics, Musik- und Theaterstücken; Ana Hupe ist bildende Künstlerin und Autorin, die seit zehn Jahren in Berlin lebt und mit recherchebasierter Kunst arbeitet und sich für die Geschichte des Widerstands interessiert, die sie in narrativen Installationen neu schreibt.

Stephanie Fernandes, Bahn Poem (2024)

Angélica Freitas, Poema (2024)

Die ausgewählten visuellen Gedichte verbinden Alltagssituationen mit historischen Episoden, Beobachtungen der Stadt Berlin mit Erinnerungen, die nicht selten kulturelle Unterschiede thematisieren. Die Formate der Gedichte variieren, oft traditionell geschrieben, als Worte auf einer Fläche, oft als Performance, Zeichnung, Skulptur oder installatives Objekt.

Historische Epochen und Situationen, die auf eine Überschneidung der Kulturen, auf Synkretismus oder Transkulturalität hindeuten, treffen aufeinander: Die Werke machen deutlich, dass das Zusammentreffen von Kulturen mit unterschiedlichen wirtschaftlichen und politischen Mächten nicht harmonisch ist, dass die Geschichte asymmetrisch ist. Der brasilianische Schriftsteller und Übersetzer Muniz Sodré verwendet den Begriff "Transkulturalität" und spricht von "Modulationen", die zwischen einem System und einem anderen verlaufen - wobei er "trans" im wörtlichen Sinne als "Durchgang" versteht. Der daraus resultierende Austausch ist nicht von Versöhnung oder gar Harmonie geprägt, sondern öffnet den Weg zu neuen Bedeutungen, die aus Reibung und Widerstand entstehen.

"Reinheit ist ein Mythos" - der berühmte Satz des brasilianischen bildenden Künstlers Helio Oiticica klingt in Zeiten einer sich abzeichnenden Migrationskrise in Deutschland, gemeint ist z.B. die jüngst angekündigte "Abschiebepolitik", immer lauter.

Der politische Aufstieg der extremen Rechten und das Gewicht der aktuellen Kriege schaffen eine Situation, in der Poesie als Gegenmittel gesucht wird.

In der Ausstellung vermischt sich die politische Atmosphäre mit dem Gleichgewicht des Alltags. Wie in Kafkas berühmtem Gedicht, das er in sein Tagebuch schrieb: "2. August 1914: Deutschland hat Rußland den Krieg erklärt. – Nachmittags Schwimmschule.".

Zum Umzug

Format: eine gemeinschaftliche Ausstellung mit Autorinnen aus Brasilien

Mit: Valeska Brinkmann,

Stephanie Fernandes,

Angélica Freitas,

Ana Hupe

Dauer: 12.04 – 28.04.2024

Wo: H4 Media Museum Berlin, Leuschnerdamm 19, 10999 Berlin

Eröffnung: 12.04.2024, 18:00 Uhr

Besuch nach Vereinbarung: zumumzug2024@gmail.com

Social Media: @_zum_umzug_

Gefördert durch das Bezirksamt Friedrichshain–Kreuzberg

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