... dreams about girls

Katharina Haverich, ….dreams about girls (2021) performative mixed reality Installation. Grafik: Studio-Varo/Christin Striegler

Das Traumkriterium schlägt zurück

Mit ... dreams about girls erschafft die Künstlerin Katharina Haverich mittels Virtual Reality Technologie eine Bühne für archaische Traumzustände.

Frei nach der Germanistin Barbara Hahn können Träume als Warnungen gelesen werden. Als entschlüsselbare Botschaften und Archive eines Wissens, das benannt werden kann. Mit diesem Archiv an Träumen forscht Katharina Haverich künstlerisch, und zwar speziell an jenen Träumen, die sich mit weiblichen Gewaltfantasien gegenüber Männern befassen. Aus diesen Träumen und Visionen erschafft die Künstlerin mit ... dreams about girls eine performative Umsetzung in die rauen und monumentalen Räume der Spreehalle in Berlin.

Katharina Haverich, ….dreams about girls (2021) performative mixed reality Installation. Grafik: Studio-Varo/Christin Striegler

Wie kann feministisch-medienbasierte Kunst im 21. Jahrhundert aussehen?

Über den Performances von Katharina Haverich schwebt der Geist von Pionierinnen wie VALIE EXPORT oder Pipilotti Rist, es sind aufrüttelnde Inszenierungen, die gesellschaftliche Missstände vor allem in laufenden Geschlechterdebatten thematisieren.

Doch ist es nicht nur der Einsatz von virtuellen Technologien, der einem Erweckungsversuch gleicht - es ist der zärtlich-humorvolle Umgang mit Bildmaterialien, der einen verstörenden Abgleich mit medialen Wirklichkeiten provoziert. Die Künstlerin lässt eine Installation entstehen, in der ein sich drehender Schlagzeuger, vier Tänzer, ein Auto und Virtual Reality im Zusammenspiel sind. Ein rein männlich gelesener Cast, der sich von den Traumbildern in rasante Bewegung bringen lässt. Das Stück durchbricht kurzzeitig die andauernde Erzählung frauenfeindlicher Aggression durch eine Umkehrung, einem kraftvollen Plot-Twist in Form von virtuellen Sequenzen intensiver Traumbilder. Dieser Durchbruch wird als fantastische Umkehrung des vertrauten Narrativs inszeniert: Frauen führen hier Gewalt gegen Männer aus und finden eine eigene Bildsprache. Die Verwebung von Bildmaterial aus Träumen mit einer fiktiven Gegenerzählung geht bei ... dreams about girls in einem einschüchternden Spektakel weiblichen Widerstands auf.

Archiv archaischer Abenteuer: Der Virtual Club of Dangerous Women

Diese Bilder und Sequenzen sind auf Grundlage wahrer Narrative komponiert. Beim diesjährigen Performing Arts Festival Berlin feierte ein weiteres Haverich Werk Premiere: Der Virtual Club of Dangerous Women, ein partizipatives Performanceprojekt, konzipiert in Zusammenarbeit mit Yael Sherill und Lianne Mol, beide sind Teil des Curatorial Collective for Public Art (CCPA).

Der Club ist eine körperlose, konspirative Vereinigung von Individuen, die wilde Träume, verstörende Visionen und mächtige Vorstellungen der weiblichen Gewalt gegen Männer teilen. Hier manifestiert sich das kollektive Unterbewusstsein von Generationen feministischer Wehrhaftigkeit und Souveränität. Die Mitglieder überwinden die physikalischen Begrenzungen von biologischem Geschlecht, geografischer Verortung, ökonomischen Zuweisungen und kulturellem Hintergrund, indem sie als Avatar*innen inkarnieren. In dieser seltenen öffentlichen Erscheinung steigen animierte Figuren in die dunkelsten Ecken des Unterbewusstseins der Teilnehmenden hinab und bringen ihre gewalttätigen Träume auf die virtuelle Bühne. Sie rekrutieren andere gefährliche Frauen, bestärken sie darin, eigene Träume in einem geschützten Ort zu teilen und sich einem dezentralen Chor radikaler Stimmen anzuschließen.

Katharina Haverich, ….dreams about girls (2021) performative mixed reality Installation. Grafik: Studio-Varo/Christin Striegler

Katharina Haverich

arbeitet an der Schnittstelle von Medien und Theater unter dem Einfluss von Träumen: Als konzeptionelle Performancekünstlerin inszeniert sie traumbasierte Sequenzen in digitalen und physischen Sphären. Sie ist Gründungsmitglied u.a. des Virtual Club of Dangerous Women. Sie arbeitete u.a. mit dem Zentrum für Politische Schönheit, ihre Werke wurden u.a. im Chicago Virtual Art Museum gezeigt. Zusammenarbeiten fanden an den Münchner Kammerspielen, fft Düsseldorf, Teatro El Milagro (Mexico-City), Theaterdiscounter, HAU, Centro Cultural Ricardo Rojas (Buenos Aires) und an der Akademie der Künste Berlin statt.

Im Gegensatz zu den bürgerlichen Klassikern geht es Katharina Haverich nicht um den Ausschluss des Emotionalen, also um das Disziplinieren vermeintlich „weiblicher“ Eigenschaften. Stattdessen macht „… dreams about girls“ Konsequenzen sichtbar und zelebriert weibliches Potenzial – auch dort, wo es Gewalt bedeutet.
— Sarah Kailuweit für Deutschlandfunk Kultur
 

Gefördert durch:
Forschungsstipendium der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa, Hauptstadtkulturfonds und ko-produziert vom Kunstfest Weimar. Der Virtual Club of Dangerous Women wurde gefördert vom Fonds Darstellende Künste.

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